"In the Snow V, Allgäu"
Gelatinesilberabzug auf Baryt
rückseitig signiert, betitelt, datiert und nummeriert
Man kann Schneeflocken unter das Mikroskop legen und naturwissenschaftlich einordnen: Wasserdampf, festgefroren an Staub- oder Rußpartikeln in höchsten Luftschichten. Nicht schwerer als 0,004 Gramm, die Flocke. Ein Konstrukt aus Dendriten, Hexagonen, das sich auf der Reise zur Erde Zeit lässt, denn der Luftwiderstand hebelt die Erdanziehung aus. Wie auf einem Kissen segelt sie in die Tiefe, die Flocke.
Man kann aber auch eine Leica nehmen und versuchen, diesen magischen Schwebezustand festzuhalten. So hat es die in Berlin und Los Angeles lebende Fotografin Donata Wenders gemacht. Vor einigen Jahren hat sie sich dem Schweben ihre Serie In the Snow gewidmet. Es sind elf impressionistische Schwarz-Weiß-Aufnahmen im kleinen Format. Graues, opakes Winterlicht im Allgäu. Die Silhouette einer Frau, zerbrechlich, unscharf, hineingestellt in uferlose Flockenwirbel. Der Kontrast zwischen der statischen Figur und der zufälligen Bewegung der Schneekristalle ist frappant.
Der Modefotograf Peter Lindbergh ist mit Donata Wenders und ihrem Mann, dem Filmemacher Wim Wenders, befreundet. Lindberghs Fotografien zeigen meist kühle, stolze Amazonen – genau das Gegenteil von der unscharf wiedergegebenen Frau, die fröstelnd ihre Arme kreuzt. Lindbergh ist fasziniert von In the Snow: "Donata sieht Dinge, die wir nicht sehen. Ihr Licht, ihr tiefes Schwarz und die feinen Graustudien in ihren Bildern zeigen, wie schön es in ihrem Inneren aussehen muss. Ihre Offenheit allem gegenüber lässt uns ahnen, was es braucht, um Bildern eine solche Poesie zu geben."
(Anna von Münchhausen, Die Zeit, Nr. 53/2014)