"Aktion in einem Kreis"

Perinetkeller, Wien
Fotograf: Ludwig Hoffenreich

Gelatinesilberabzug (analog) auf Karton

auf Kartonrückseite signiert, Stempel

Bemerkungen zur "Aktion in einem Kreis"
Am 2. September 1966 veranstalteten Muehl, Nitsch und ich eine Pressekonferenz anläßlich unserer Teilnahme am 1. DESTRUCTION IN ART SYMPOSION (DIAS) in London (9. bis 11. September 1966). Jeder Künstler führte eine kurze Aktion durch. Unserer Einladung folgte nur ein Kunstkritiker, nämlich Johann Muschik von der Tageszeitung "Neues Österreich". Die Veranstaltung fand im Perinetkeller [Anm. Wien] statt. Mein Beitrag war die AKTION IN EINEM KREIS, welche von Ludwig Hoffenreich photographisch festgehalten wurde.
Muschik lieferte in seiner Kritik eine Beschreibung dieser Aktion:
(Günter Brus)

Die packendste Pantomime war die von Günter Brus. Er hatte Packpapier rund zugeschnitten und auf den Boden gelegt, welcher auf eine solche Weise gewissermaßen zur kreisförmigen Arena wurde. In die Mitte des Kreises hatte Brus einen weiß bemalten Holzpflock geschlagen, an den er seine gefesselten Füße band, so daß ihm nur die Möglichkeit blieb, sich innerhalb des Kreises zu bewegen. An der Kreisperipherie lagen Plastiksäcke mit weißer, gelber, grüner Farbe, Marterinstrumente, Nägel, ein Teller mit Haaren, ein Teller mit einem Ei. Eine Flasche Milch war aufgestellt. In einem Kübel neben dem Pflock war weiße Farbe, womit sich Brus über und über beschmierte. Er kroch auf allen vieren im Kreis herum, stürzte sich, lallend und qualvoll aufschreiend, auf die Farbsäcke, die er aufstach und deren Inhalt er zu schlürfen versuchte. Ein Spiel mit den Säcken und den Gegenständen sonst, die sich auf dem Packpapier befanden, begann. Immer noch kroch Brus, lallte, schrie sprang er auf, kroch er wieder. In einem Schneckengang kehrte er zum Pflock ins Zentrum zurück, stürzte gleichsam in sich selber zusammen, versuchte die Glieder zu strecken, blieb liegen, während gelbe Farbe sich über ihn ergoß.
Der Selbstverstümmler dekuvrierte die Verstümmelung der Welt, hat ein Zuschauer bei einer der Aktionen von Brus einmal gemeint. Der gesellschaftskritische Aspekt dessen, was die Wiener Happeningleute tun, wird auch sonst gelegentlich hervorgehoben. Dadurch, daß man die Gegenstände verunschönt, daß man ihnen das Make-up nimmt, sie „entzweckt", besudelt, das Material ,entwürdigt", werde ihnen die merkantile Verwertbarkeit genommen, heißt es da zum Beispiel. Das bedeute Gesellschaftskritik, denn die merkantile Verwertbarkeit sei das Um und Auf der Gegenstände in der kapitalistischen Welt. 
(Johann Muschik)