"Elena Lucrezia Cornaro-Piscopia"
Sofortbild (Polaroid)
rückseitig signiert, betitelt und datiert
Elena Lucrezia Cornaro-Piscopia (1646–1684)
Erste Doktorin der Welt
Elena Cornaro wird 1646 im Palazzo Loredan am Canal Grande in Venedig geboren, als Tochter des Adeligen Gianbattista Cornaro und der Bauerstochter Zanetta Boni. Die Familie Cornaro-Piscopia besitzt Landgüter und Paläste in Venedig und in Padua, Plantagen in Zypern und Handelshäuser (als Salz-Monopolisten) im gesamten venezianischen Einflussbereich. An Stelle eines Eintrags im venezianischen Adelsregister erhält die junge Elena Unterricht in Latein und Griechisch, später auch in Französisch und Spanisch sowie in Hebräisch und Aramäisch; sie studiert Geschichte, Literatur, Kunst und Musik, Philosophie, Mathematik, Physik und Astronomie. Mit 19 läßt Elena eine vom Vater angebahnte Verlobung mit einem Dogen- Neffen platzen – verweist auf das Keuschheitsgelübde, das sie mit elf Jahren heimlich abgelegt hat; eine Aufhebung durch Papst Alexander VII. lehnt sie ab und verschreibt sich dem Frauenorden der Benediktinen. Unter dem Nonnennamen „Scolastica“ und in Nonnenkleidung (die sie unter der Hofkleidung trägt) wohnt sie „in secularo“ im Palast ihres Vaters, führt umgeben von Luxus ein Leben in Askese, holt sich im Krankenhaus San Lorenzo de Mendicanti, wo sie karitative Dienste leistet, das „rote Fieber“. Genesen und weiter studieren in der elterlichen Sommerresidenz in Padua. Seit 1670 ist sie Vorsitzende an der privaten Accadèmia dei Pacifici in Venedig. 1677 setzt ihr Vater, mittlerweile Prokurator von San Marco, ihre Aufnahme als Doktorandin an der Universität Padua durch. Frauen gelten bis dahin für die Wissenschaften als ungeeignet. 1678 gestaltet sich Elenas Ernennung zur „Magistra et Doctrix Philosophiae“ in der Kathedrale Santa Maria Assunta in Padua „wie eine Krönung“ (Zeitzeuge Antonio Lupis). An die „Prima donna laureata nel mondo“ (Erste Doktorin der Welt) erinnert in Venedig eine Gedenktafel an der Calle del Carbon.
Donne Illustri
Caffè Florian am Markusplatz in Venedig: Im „Saal der berühmten Männer“ (Sala degli Uomini Illustri) hängen zehn Ölgemälde von Giulio Carlini (1826–1887). Dessen postum gemalte Porträts der berühmter Venezianer – von Marco Polo über Tizian bis Goldoni – konfrontiert Irene Andessner mit zehn Venezianerinnen, darunter der Stadt berühmteste Komponistin (Barbara Strozzi), Malerin (Rosalba Carriera) und teuerste Kurtisane (Veronica Franco), sowie die erste Doktorin (Elena Lucrezia Cornaro Piscopia) und die erste Frauenrechtlerin der Welt (Moderata Fonte). Mit dieser Intervention verwandelt sich die Sala degli Uomini Illustri in die Sala delle Donne Illustri (Salon der berühmten Frauen). Eine vexierbildartige Irritation: Von Maske, Garderobe, Licht, Dekoration und Bildausschnitt abgesehen, weichen Andessners Darstellungen von den historischen Bildreferenzen der zehn Frauenfiguren ab: Sie hat nicht die Haltung und Blicke der Frauen, sondern der Männer aus den zu überhängenden Porträts nachvollzogen. Damit ist das Selbstverständnis, die Präpotenz, der männlichen Pendants gebrochen.
Ein weiterer Raum, Saletta Liberty, erhält einen Leuchtkasten mit einem Fonte/Andessner-Ganzkörper-Fotoporträt und einem „Fonte“-Porträt in Öl auf Leinwand, für das Andessner im Atelier von Marinella Biscaro Modell gesessen hat.
„7 Gentildonne“: Im Vorfeld der Ausstellung beruft Andessner im Caffè Florians Herrensalon ein Treffen von sieben Italienerinnen ein – als zeitgenössische Interpretation von Moderata Fontes Streitgespräch „Das Verdienst der Frauen“ (Il Merito delle Donne), per Video dokumentiert und im Ausstellungskatalog wiedergegeben.
In der Fotoproduktion für das Venedig-Projekt entstehen zusätzlich Ganzkörper-Porträts, die die historisierenden (in der Rauminstallation nur in ovalen Büsten-Ausschnitten sichtbaren) Frauendarstellungen mittels Styling vollends in unsere Gegenwart transponieren. In diesen Bildern ist auch zu sehen, dass die Künstlerin den Kameraauslöser in der Hand hält, also – im Gegensatz zu früheren Produktionen – selbst das Bild auslöst, und zwar genau in dem Moment, in dem sie sich der jeweiligen Rolle innerlich so gewachsen fühlt, dass sie sich sicher ist, die Persönlichkeit der jeweiligen Vorbild-Frau perfekt zum Ausdruck zu bringen. Diese Arbeitsweise entspricht den historischen Venezianerinnen, die ihre Profession ebenfalls selbstbestimmt und selbstständig, unabhängig von Männern, entwickelt und gelebt haben. Die Ganzkörper-Selbstporträts sind in lebensgroßem Maßstab als Leuchtkästen ausgeführt.
Das Projekt „Donne Illustri“ findet, kuratiert von Stefano Stipitivich, im Rahmen des Kunstprogrammes des Caffè Florian statt. In der vor 15 Jahren von der Caféhausbesitzerin und Kunstsammlerin Daniela Gaddo Vedaldi gestarteten Ausstellungsreihe waren bisher Künstler wie Mimmo Rotella (1990), Fabrizio Plessi (1993 und 2001) und Luca Buvoli (1997) vertreten.