"Rosalba Carriera"
Sofortbild (Polaroid)
rückseitig signiert, betitelt und datiert
Rosalba Carriera (1675-1757)
Die europäische Hofmalerin des Rokoko
Rosalba wird 1675 als älteste von drei Töchtern des Hausverwalters Andrea Carriera und seiner Ehefrau, der Stickerin und Spitzenmacherin Alba Foresti, in Venedig geboren. Als sie Zeichentalent erkennen läßt, kommt sie zu Guiseppe Diamantini und Antonio Balestra in die Lehre. Die Aquarellminiatur- und Pastellmalerei erlernt sie bei Felice Ramelli. Schon bald sind Miniaturbildnisse von Rosalba Carriera – Portraits und Allegorien auf Schnupftabakdosen und Medaillons – sehr geschätzt. Um 1703 entdeckt sie für sich – und ihre Zeit – die Pastellmalerei, die sie bald perfekt beherrscht. Auf die Nachfrage nach ihren, in dieser Technik geschaffenen religiösen, allegorischen und mythologischen Halbfiguren- darstellungen reagiert die Malerin, in dem sie ihre beiden Schwestern Giovanna und Angela einstellt, junge Malerinnen als Schülerinnen und Gehilfinnen aufnimmt. Die eleganten, trotz möglicher Zugeständnisse charakterisierenden Porträts in den zarten, hellen Farben treffen mit ihrer samt- und perlmutt- artigen Oberflächenwirkung den sensiblen Geschmacksnerv des Rokoko. Seit 1705 ist Rosalba Mitglied der Accademia de San Luca in Rom, später auch der Accademia Clementina in Bologna. Ab 1715 lässt sie den einflussreichen Kunsthändler Pierre Crozat für sich arbeiten. 1720 an die Pariser Kunst- akademie berufen, initiiert die Venezianierin das, was später als französische Pastellmalerei in die Kunstgeschichte eingeht. In diesem Stil porträtiert sie Ludwig XV. als Dauphin, und inspiriert die französischen Porträtmaler des Rokoko – von Maurice-Quentin de la Tour bis zu Elisabeth-Louise Vigée-Le Brun. 1721 trifft sie Antoine Watteau – sie zeichnen sich gegenseitig. Ein Gipfeltreffen der Rokokomalerei! Dann kehrt sie nach Venedig zurück, wohnt mit ihrer Schwester Giovanna zusammen, nimmt später auch Angela auf, als diese zur Witwe des Malers Giovanni Antonio Pellegrini wird. Rosalba Carriera wird in ganz Europa hofiert. Zu ihren Auftraggebern zählen Herzog Christian Ludwig II. von Mecklenburg-Schwerin, der König Friedrich IV. von Däne- mark und Kurfürst Max Emanuel II. von Bayern. Die meisten Bilder bestellen die Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August I. (der Starke) und sein Sohn Friedrich August II., in deren Gemäldegalerie zu Dresden über 150 Pastelle von Rosalba Carriera landen. 1723 lädt sie Herzog Rinaldo d’Este nach Modena ein, um seine drei Töchter, sich selbst und eine Reihe von Hofleuten porträtieren zu lassen. 1730 geht sie an den Wiener Hof von Kaiser Karl VI., um dessen Familie gehübscht zu malen und sein Bonmot-Opfer zu werden („Begabt mag sie ja sein, aber hübsch ist sie nicht.“). In ihren Selbtporträts beschönigt Rosalba Carriera nichts – von der Selbstdarstellung am Beginn ihrer Karriere, das Porträt ihrer Schwester in der Hand haltend (1715), über die Winter-Allegorie auf dem Höhepunkt ihrer Künstlerlaufbahn (1731), bis zu ihrem letzten Selbstporträt, auf dem sie ihr beginnendes Augenleiden durchblicken lässt (1745). Ihre letzten Jahre verlebt die europäische Hofmalerin der Rokokozeit vollkommen erblindet.
Donne Illustri
Caffè Florian am Markusplatz in Venedig: Im „Saal der berühmten Männer“ (Sala degli Uomini Illustri) hängen zehn Ölgemälde von Giulio Carlini (1826–1887). Dessen postum gemalte Porträts der berühmter Venezianer – von Marco Polo über Tizian bis Goldoni – konfrontiert Irene Andessner mit zehn Venezianerinnen, darunter der Stadt berühmteste Komponistin (Barbara Strozzi), Malerin (Rosalba Carriera) und teuerste Kurtisane (Veronica Franco), sowie die erste Doktorin (Elena Lucrezia Cornaro Piscopia) und die erste Frauenrechtlerin der Welt (Moderata Fonte). Mit dieser Intervention verwandelt sich die Sala degli Uomini Illustri in die Sala delle Donne Illustri (Salon der berühmten Frauen). Eine vexierbildartige Irritation: Von Maske, Garderobe, Licht, Dekoration und Bildausschnitt abgesehen, weichen Andessners Darstellungen von den historischen Bildreferenzen der zehn Frauenfiguren ab: Sie hat nicht die Haltung und Blicke der Frauen, sondern der Männer aus den zu überhängenden Porträts nachvollzogen. Damit ist das Selbstverständnis, die Präpotenz, der männlichen Pendants gebrochen.
Ein weiterer Raum, Saletta Liberty, erhält einen Leuchtkasten mit einem Fonte/Andessner-Ganzkörper-Fotoporträt und einem „Fonte“-Porträt in Öl auf Leinwand, für das Andessner im Atelier von Marinella Biscaro Modell gesessen hat.
„7 Gentildonne“: Im Vorfeld der Ausstellung beruft Andessner im Caffè Florians Herrensalon ein Treffen von sieben Italienerinnen ein – als zeitgenössische Interpretation von Moderata Fontes Streitgespräch „Das Verdienst der Frauen“ (Il Merito delle Donne), per Video dokumentiert und im Ausstellungskatalog wiedergegeben.
In der Fotoproduktion für das Venedig-Projekt entstehen zusätzlich Ganzkörper-Porträts, die die historisierenden (in der Rauminstallation nur in ovalen Büsten-Ausschnitten sichtbaren) Frauendarstellungen mittels Styling vollends in unsere Gegenwart transponieren. In diesen Bildern ist auch zu sehen, dass die Künstlerin den Kameraauslöser in der Hand hält, also – im Gegensatz zu früheren Produktionen – selbst das Bild auslöst, und zwar genau in dem Moment, in dem sie sich der jeweiligen Rolle innerlich so gewachsen fühlt, dass sie sich sicher ist, die Persönlichkeit der jeweiligen Vorbild-Frau perfekt zum Ausdruck zu bringen. Diese Arbeitsweise entspricht den historischen Venezianerinnen, die ihre Profession ebenfalls selbstbestimmt und selbstständig, unabhängig von Männern, entwickelt und gelebt haben. Die Ganzkörper-Selbstporträts sind in lebensgroßem Maßstab als Leuchtkästen ausgeführt.
Das Projekt „Donne Illustri“ findet, kuratiert von Stefano Stipitivich, im Rahmen des Kunstprogrammes des Caffè Florian statt. In der vor 15 Jahren von der Caféhausbesitzerin und Kunstsammlerin Daniela Gaddo Vedaldi gestarteten Ausstellungsreihe waren bisher Künstler wie Mimmo Rotella (1990), Fabrizio Plessi (1993 und 2001) und Luca Buvoli (1997) vertreten.