Ansicht vorne
Inv. Nr.S-2228
KünstlerLuzia Simonsgeb. 1953 in Quixadá, Ceará, Brasilien
Titel

"Stockage 168"

aus der Serie "Stockage"
Jahr2017
Technik

C-Print (digital) auf Aluminium Dibond auf Acrylglas (Diasec)

Bildgröße70 x 50 cm
Auflage15/15 (+1 e.a.)
Kommentar

Der Scanner, auf den die Künstlerin die Blumen legt, zeichnet streng linear das Ertastete auf. Nähe bewirkt Detailgenauigkeit, während Entferntes in ein undurchdringlich wirkendes Dunkel entschwindet. Objektiv und ungeschönt baut der Scanner Pixel für Pixel ein Abbild der Blumen auf, wobei aber auch Beschädigungen der zarten Blüten oder erste Anzeichen des hinter all der Pracht schon lauernden, unabwendbaren Verfalls sichtbar gemacht werden. Die Tulpe wird bei Luzia Simons aufgrund ihrer “nomadischen” Geschichte zur Metapher für Mobilität, Globalisierung, und interkulturelle Identität.
(Luzia Simons)

Mit der kontinuierlich sich weiter entwickelnden Serie Stockage wurde Luzia Simons zur Pionierin des Scanogramms. Die Stockage (dt.: Lagerung) Arbeiten machen deutlich, dass es sich bei den großformatigen Blütenstillleben nicht einfach nur um eine Hommage an die barocke Malerei und die Rezeption des Vanitas-Motivs handelt. Vielmehr beschäftigt sich die Künstlerin hinter der ästhetischen Oberfläche ihrer zwischen Fotografie und Malerei angesiedelten Werke mit zentralen Fragen der Identität als soziokultureller Konstruktion und einem globalen Bewusstsein im Spiegel kultureller Unterschiede und Besonderheiten.
Angesichts dieser Schnittstelle zwischen offensichtlichem und kulturellem Code, zwischen nacktem Abbild und Metapher, entwickelte Simons ab 1995 ihre eigene Aufnahmetechnik: das Scanogramm. Mithilfe dieser Technik werden Blüten und Pflanzen unmittelbar gescannt. Die Besonderheit dieser Prozedur besteht darin, dass hier die Sichtweise auf das Motiv – anders als in der Fotografie – ohne zentralen Blickwinkel auskommt und der Akt der Ablichtung in direkter Weise geschieht. Einst konstruiert zur Digitalisierung von Dokumenten hat der Scanner weder Linse noch Fokus. Er kennt nur das Nebeneinander, bei dem die Nähe bewirkt, dass alles Vordergründige gleichermaßen hell und detailgenau ist und sich alles tiefer Gehende perspektivlos im Dunkel verliert.
Objektiv und ungeschönt baut der Scanner Pixel für Pixel ein Abbild der Blumen auf, wobei nicht nur die idealen Formen aufblühender Schönheit, sondern auch die Fehler, Störungen und der beginnende unaufhaltsame Verfall sichtbar werden. Die Ikonografie der Blume als künstlerische Position, die fotografischen Hyperrealismus und metaphorische Absicht miteinander verbindet, wird so bei Luzia Simons zum Symbol für kulturelle Migration, interkulturellen Austausch und die damit verbundene schleichende Veränderung ästhetischer Bedeutung im Spiegel einer globalen Ökonomie.
In der Natur verständigen sich die Pflanzen durch Informationsnetze von unterirdischem Myzel. In Anspielung an solche natürlichen Kommunikationsprozesse wurde die neueste Wandtapisserie Tendenz Endlos mit Ornamenten in Form von Linien, Punkten und Zeichen bestickt. Zahlreiche, mit der Künstlerin vernetzte Personen haben über einen Zeitraum von drei Jahren durch immer neue kreuz und quer Interventionen die vorgegebenen botanischen Motive untereinander in Beziehung gesetzt. Wachstum wurde zu einer Bewegung abstrahiert, die nicht nur Räume und Zwischenräume verbindet, sondern auch über die Wandtapisserie hinausweist – in einem tendenziell endlosen Prozess, an dessen Ausgangspunkt die Scanogramme Simons’ Tulpenbilder standen. Inspiriert ist das Projekt unter anderem auch von der Vorstellung einer "unendlichen Naturgeschichte" (Paul Klee).
(Galerie Andreas Binder)

S-2228, "Stockage 168"
Luzia Simons, "Stockage 168", 2017
S-2228, Ansicht vorne
© Luzia Simons
S-2626, Luzia Simons, "Stockage 197", 2022
Luzia Simons, "Stockage 197", 2022
mehr InfoS-2626, Ansicht vorne
© Luzia Simons