"Landschaftsporträt IV"
C-Print auf Dibond
Jenseits des Naturprinzips
Ein Felsbrocken ruht in einer Hochlandschaft, doch er soll fliegen. Markus Guschelbauer hat ihm einen Gleitschirm gebaut, der vom Wind aufgeblasen wird. Fliegen (2008) zeigt eindringlich, dass seine Arbeiten von einem poetisch-sinnlichen Zugang zur bildenden Kunst geprägt sind. Durch die Wahl der Motive werden Markus Guschelbauers Arbeiten oftmals als Spiel, als Auseinandersetzung mit Natur und Kultur charakterisiert. Dies ist insofern stimmig, als sie die Dichotomie dieser beiden kulturgeschichtlich aufgeladenen Begriffe in Frage stellen. Schon die Wahl des Mediums der Fotographie, die fotographische Perspektive, bringt es per definitionem mit sich, dass ein ‚künstlicher’ Blick auf ‚die Natur’ gerichtet wird. In nuce lässt sich dies bereits in einem frühen Werk, in Waldporträt I aus dem Jahr 2007, erkennen. In der für seine Arbeiten typischen Herangehensweise richtet Markus Guschelbauer seine analoge Kamera auf die Natur, die er für das Foto mit technisch oftmals einfachen Mitteln installativ bearbeitet. Im Waldporträt I entsteht durch das Einfassen mittels Stoffen am linken und rechten Bildrand eine Art Schaufenster in die Natur, bei dem der fixierte Blick des Künstlers die Perspektive förmlich aufzwingt. Die Verwendung von Folien und Stoffen ist typisch für Markus Guschelbauers Arbeiten als Intervention in den Naturraum. Aber auch Spiegel kommen bei ihm zum Einsatz, wie im Waldporträt II (2007) oder in Über das Verhältnis vom rechten Winkel zur Natur, I–IV (2007). Für letztere Serie verwendete er großformatige Spiegelgruppen, die scheinbar en passant in die Landschaft gestellt, den Blick auf die Natur biegen und so ein Bild im Bild, eine Landschaft in der Landschaft, entstehen lassen. Aber auch ohne den Einsatz von Spiegeln verdoppelt Markus Guschelbauer den Blick spielerisch, indem er durch ‚künstliche’ Elemente die ‚natürliche’ Landschaft verbirgt. Elemente, die die künstlerische Arbeit als Landschafts-, als Bodenbearbeitung in Erscheinung treten lassen und somit den klassischen Arbeitsbegriff in Naturräumen, also etwa jenen der Landwirtschaft, hinterfragen. Die künstlerische Arbeit zielt dabei jedoch weder auf eine Verklärung natürlicher Landschaften noch auf die Verklärung ihrer Bearbeitung ab, ganz im Gegenteil, Markus Guschelbauers Arbeit schafft neue Räume, neue Landschaften.
Denn obgleich in vielen Arbeiten Folien aus durchsichtigem Kunststoff oder Stoffe zu sehen sind, bildet vielmehr der Naturraum selbst die Folie für eine Auseinandersetzung mit Fragen jenseits des ‚Naturprinzips’, etwa jene nach der Entwicklung von Möglichkeitsräumen. So setzt er in Waldraum I (2011) einen aus Folien begrenzten Raum direkt in einen Wald. Als Kontrapunkt dazu kann Plastic Nature (2011) verstanden werden, bei dem das Foto die Innenansicht eines durch Plastikfolie zu allen Seiten hin begrenzten Raumes zeigt. Auf den ersten Blick bilden in diesem white cube in und für die Natur Baumstämme die Ausstellungsobjekte. Im Hintergrund, außerhalb des von der Folie, aber innerhalb des von der Kamera abgegrenzten Raumes, ist ein grünlicher Lichteinfall zu erkennen, der auf ein – womöglich natürliches – Außerhalb des Folienraums verweist, das aber erst durch das konstitutive Innerhalb erkennbar und möglich wird. Durch Zeigen wird gleichzeitig verborgen. Ein Thema, das in den tree works – Kirschblüte (2008), Windbruch (2010), Apfelbaum (2011) – in umgekehrter Form wiederkehrt. Förmlich individualisierte ‚Naturartefakte’ werden in bühnengleicher Inszenierung gezeigt, die ‚natürliche’ Umgebung wird ausgeblendet. Auch im Rasenstück I (2007) tritt ein Teil einer Wiese vor den Vorhang. Neben der Analogie des Titels zu Dürers berühmten Aquarell, zeigt sich auch eine gewisse Bildähnlichkeit zur Dürer’schen Ikone, wobei sich der Effekt bei Markus Guschelbauer allein aus der Verwendung der Folie ergibt. Im Rasenstück II aus dem Jahr 2008 steht dann nicht mehr lediglich das gemeinhin sichtbare Gras im Mittelpunkt, sondern gleich mitsamt der Erde, in der es gewachsen ist. Zu den visuell irritierendsten Arbeiten Markus Guschelbauers zählen seine Auseinandersetzungen mit Wasser. In Schwimmen (2008) ragt ein in Folie gehüllter Felsen aus dem Wasser, in Perforated Water I (2009) höhlt Markus Guschelbauer die Wasseroberfläche aus, setzt eine Leerstelle in die ansonsten spiegelglatte Oberfläche. In Wildbach ohne Titel (2011) verschwimmt die eingangs erwähnte Grenze zwischen Natur und Kultur vollständig. Auf den ersten Blick glaubt man eine idyllische Wasserfallszene zu betrachten. Erst auf den zweiten Blick entpuppt sich diese Idylle als hergestellt – durch das Verhüllen der Steine mit durchsichtiger Folie. Es entsteht eine Komposition aus Wasser und Folie als beeindruckende und gleichzeitig trügerische Harmonie. Diese subtilen Mittel stehen für eine Konstante in Markus Guschelbauers Arbeiten: den Bruch mit und die Irritation von aus der Naturbetrachtung bekannten Bilderwelten. Die Eröffnung von breiten Assoziations- und Frageräumen geht dabei immer mit Poetik und Sinnlichkeit einher.
(Alexander Fleischmann, aus: Markus Guschelbauer (Hg.), Markus Guschelbauer, Eigenverlag 2012, S. 19)