"Über allen Wipfeln ist Ruh"
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C-Print auf Aluminium
Die fotografische Arbeit Über allen Wipfeln ist Ruh’ zeigt verschiedene, in Transportnetzen verpackte Christbäume. Sie sind in Originalgröße vor weißem Hintergrund abgebildet. Der geschmückte und prächtig entfaltete Christbaum, Symbol eines der Familie gewidmeten Festes, ist hier zusammengepresst und weist in seiner Verlorenheit und Isolierung auf das Trügerische der Idylle hin.
(Robert F. Hammerstiel)
Die Bilder, die uns Robert F. Hammerstiel vor Augen führt, erscheinen uns sehr vertraut, auch wenn man den Eindruck hat, dass sie ihre Existenz einem eher beiläufigen Blick oder einem Interesse für wenig beachtete Alltagsphänomene zu verdanken haben. Hammerstiels fotografische Recherchen zielen auf Hintergrundphänomene unseres Alltags, d.h. auf die visuelle Szenerie mit ihren Surrogaten für Glück und Privatheit, Surrogate, an die wir uns gewöhnt haben wie Süchtige an die Droge, deren Bedeutung als Projektionsfläche von Wünschen und Gefühlen uns jedoch selten bewusst wird. Man könnte die thematisch orientierten Werkgruppen als Beschreibung eines Spannungsfeldes zwischen gesellschaftlicher Prägung einerseits und dem Wunsch nach geschützter Intimität andererseits ansehen.
Ausgehend von der Tatsache, dass der Mensch in der Bilder- und Ojektwelt eher unbewusster Akteur als souveräner Regisseur ist, geht Hammerstiel in seiner Arbeit der Frage nach, inwieweit das Individuum noch durch die Dinge, mit denen es umgeht, seiner Identität symbolischen Ausdruck verleihen kann. In der Regel spart er die Menschen aus und inszeniert die Szenerie des Alltags als Stilleben, in dem der Betrachter seine eigene Situation wiedererkennen kann. Hammerstiel hat sich so z.B. mit den Spuren des Menschen in der Natur auseinandergesetzt, er hat die privaten Inszenierungen von Naturbildern in Wohnungen und am Arbeitsplatz festgehalten, er hat Bürger in den Ansichten ihres Mittagstisches portraitiert, und er hat die Verführungskraft von Rollenklischees untersucht. Indem er das Oszillieren der Fotografie zwischen Lüge und Wahrheit nutzt, gelingt es ihm, das Vertraute fremd und das Fremde vertraut erscheinen zu lassen.
(Bernd Schulz, Saarbrücken 1998)