"CUL-DE-SAC #2 (4:3)"
Tintenstrahldruck auf Acrylglas
[…] Und dieses Wahnsinnsblau am Ende der Sackgasse (oder das unglaublich saftige, frühlingsfrische Grün) ist sowieso nicht reproduzierbar. Sackgasse? Ja. Weil es in die Richtung anscheinend nimmer weitergeht. Weil der Selichar, der immer tiefer in den Kosmos der Pixel eingedrungen ist wie Alice ins Wunderland, mit seiner neuen Werkreihe Cul-de-Sac (auf Französisch ist die "Sackgasse" gleich viel weniger prosaisch) an die Grenzen der Physik gestoßen ist. Nicht der ganzen Physik, aber immerhin der Optik. Oder seines visuellen Konzepts. Aus der Pixelgeometrie unterschiedlicher Monitore hat er je ein Rot-Gelb-Blau-Trio herausgelöst, das Detail extrem aufgeblasen. Die pittoresken Kleckse eines LCD-Screens haben direkt was von malerischen Gesten. Kein Wunder, ist LCD doch die Abkürzung für "Liquid Cristal Display".
Fast schon eine psychedelische Hinterglasmalerei, zumal diese euphorischen Farben auf die Rückseite der Acrylglasplatte gedruckt worden sind. Analog, wohlgemerkt. Mittels subtraktiver Farbmischung. Der Vierfarbendruck ahmt mit Cyan, Magenta, Yellow und "Key" (Schwarz) den RGB-Farbraum des Bildschirms nach, und dann nimmt das menschliche Auge diese Imitation (oder Simulation) mit seinen drei Zapfentypen wahr (mit den Blau-, Grün- und Rot-Rezeptoren – he: RGB!). "Es is a Spiel über die Bande, das hochkompliziert is", resümiert der Künstler.
Da versteht sich offenbar einer darauf, Konzept in Sinnlichkeit und pragmatische Ideen in ästhetische Kunst zu verwandeln. Und Perfektionismus muss einem nicht peinlich sein.
(aus: Wiener Zeitung, 23.3.2023, https://www.wienerzeitung.at/h/gunther-selichar-alice-hinterm-monitorglas)