Ansicht vorne
Inv. Nr.S-2622
KünstlerVALIE EXPORTgeb. 1940 in Linz, Österreich
Titel

"A Despota"

aus der Serie "Körperkonfigurationen"
Jahr1982 / 2023
Technik

Gelatinesilberabzug auf Ilford FB Baryt

Bildgröße40 x 60 cm
Auflage40/50 (+2 a.p.)
Signatur

rückseitig signiert und nummeriert, Zertifikat

Kommentar

In der Serie Körperkonfigurationen (1972–1982) nutzte VALIE EXPORT ihren Körper als Mess- und Zeigegerät, schmiegte sich an die Kurve eines Bordsteins oder orientierte sich an dem Winkel einer Treppenstufe oder schmiegt sich an die Rundung einer Säule, um soziale Machtstrukturen zu hinterfragen. Die gescheiterte Übereinstimmung mit den architektonischen Strukturen, die geometrischen Linien auf den Fotografien und die unruhige Gymnastik der Figur betonen die Spannung zwischen dem Individuum und den ideologischen und sozialen Kräften, die die urbane Realität prägen und die psychologischen Auswirkungen der gebauten und natürlichen Umgebungen registrieren.
(Quelle: MoMA, Beschriftung aus der Ausstellung The Shaping of New Visions: Photography, Film, Photobook, 16. April 2012–29. April 2013)

Der Abzug stammt aus einer limitierten Serie, die anlässliche der Ausstellung VALIE EXPORT Retrospektive in der Albertina, Wien vom 23. Juni bis 1. Oktober 2023 von der Albertina herausgegeben wurde.
Die Ausstellung spannt den Bogen von EXPORTs bahnbrechenden frühen feministischen Aktionen, wie dem TAPP und TASTKINO (1968) über ihre provokanten Performances (ASEMIE – die Unfähigkeit sich durch Mienenspiel ausdrücken zu können, 1973) und vielschichtigen Installationen I (beat (it)) II (1980) bis hin zu der über mehrere Jahre konsequent verfolgten Werkgruppe der Körperkonfigurationen (1972-1982). Ein Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Relevanz der Fotografie für das Schaffen der Künstlerin. Ob zu dokumentarischen Zwecken, als Experiment oder als eigenständiges Werk spielt die Fotografie eine zentrale Rolle für EXPORTs feministische und gesellschaftspolitische Fragestellungen. An der Schnittstelle zu Film, Video- und Body-Art erlaubt sie neue Einblicke in das Werk der Künstlerin. Das Verhältnis von Subjekt und Raum, Performance und Bild, Körper und Blick sowie Weiblichkeit und Repräsentation ist hierfür bezeichnend.
(Albertina, Wien)

Die Aufnahme entstand 1982 am Theseustempel am Heldenplatz in Wien. Der Theseustempel wurde zwischen 1819 und 1823 von dem Hofarchitekten Peter von Nobile errichtet und sollte ein einziges zeitgenössisches Kunstwerk beherbergen: Antonio Canovas aus weißem Marmor geschaffene Skulptur Theseus besiegt den Kentauren. Fast siebzig Jahre lang stand das Meisterwerk allein im Theseustempel, bis es 1890 in das gerade fertiggestellte Kunsthistorische Museum übersiedelt wurde, wo es sich noch heute auf der Prunkstiege findet.
(Christoph Fuchs)

Der Heldenplatz und die Hofburg sind in der bildenden Kunst nach 1945 mehrfach thematisiert worden, vor allem auch in performativen Arbeiten: Unter anderem beginnt Günter Brus Wiener Spaziergang hier, VALIE EXPORT hat sich im Dialog mit dem Gebäudekomplex fotografiert, und Julius Deutschbauer inszenierte eine Aktion in den Räumlichkeiten der Präsidentschaftskanzlei. Als Einzelpersonen haben Künstlerinnen und Künstler an diesem Ort eine Gegenüberstellung oder Konfrontation subjektiver, künstlerischer Wahrnehmung mit der Symbolik des Sieges von Monarchie und Staatsmacht inszeniert und die Mittel zeitgenössischer, performativer Medien mit einer Architektur kontrastiert, deren dominierend barocke und klassizistische Zeichenwelt unter anderem die "gottgewollte" katholische Ordnung des Heiligen Römischen Reiches artikulierte. Ihre spezifische Komplexität entfalten diese Arbeiten dadurch, dass sie sozusagen vor einer verlassenen Kulisse spielen, einer, die nach dem Untergang des Habsburgerreiches auch dem Dritten Reich als Bühne diente. Immer noch steht dieses Ensemble von Prachtbauten für eine Macht, die bis in die Zellen des individuellen Körpers herrscht. Sie ist weniger greifbar geworden und wird von den Künstlern und der Künstlerin mittels dieser Kulisse ins Bewusstsein gerufen. Nach seinen vielfältigen Inkarnationen erlebt der Heldenplatz so seine düsterste, nämlich die des Mahnmals. 
(Johanna Schwanberg, "Kunst(re)aktionen: Günter Brus - VALIE EXPORT - Julius Deutschbauer" in: Maria Welzig, Anna Stuhlpfarrer (Hsg.), Kulturquatiere in ehemaligen Residenzen. Zwischen imperialer Kulisse und urbaner Neubesetzung, 2018, S. 71.)

Mehr Werke aus der Serie Körperkonfigurationen auf der Webseite der Künstlerin www.valieexport.at

S-2622, "A Despota"
VALIE EXPORT, "A Despota", 1982
S-2622, Ansicht vorne
© VALIE EXPORT / Bildrecht Wien