"Magnolien. Studie 2"
Gelatinesilber Kontaktabzug (Bromid Lithprint) auf Agfa Borvira 112a (1960er Jahre), getont in Selen und Gold, handkoloriert mit Eiweißlasurfarben
signiert, datiert, editiert und gestempelt auf Museumskartonrückseite
Der Fotograf Martin Waldbauer beschäftigt sich mit langsam in Vergessenheit geratender analoger Aufnahmetechnik und Ausarbeitungsmethoden. Diese Pflanzen-/Blumenstudie setzt er bewusst vor weißem Hintergrund, nütz natürliches Licht als Beleuchtung und eine 8x10-Inch-Großformatkamera für die Aufnahme. Der Abzug wurde als Kontaktkopie hergestellt, dabei wird das Negativ direkt auf das Fotopapier gelegt und belichtet. Die Größe des Abzugs entspricht somit der Größe des Negativs und somit dem ursprünglichen Abbild in der Kamera. Diese sehr direkte Art der Herstellung von Fotoabzügen hat eine lange Tradition und geht zurück bis zu den den ersten Fotografien, wie zum Beispiel von William Henry Fox Talbot, The Leaf of a Plant, aus dem Jahr 1844 aus dem berühmten Buch The Pencil of Nature, 1844-1846, Platte VII.
Als Fotopapier verwendet Waldbauer ein besonders altes Schwarz-Weiß-Papier aus den 1960er Jahren. Das Papier "Agfa Borvira 112a" des deutschen Herstellers Agfa (Bayer-Leverkusen) bezeichnet ein kartonstarkes, weißes, halbmattes Barythpapier. Die erste Ziffer (Hunderterstelle) gibt dabei die Papierstärke an – 1 bedeutet kartonstark. Die zweite Ziffer gibt Auskunft über die Farbe – 1 steht für weiß, 2 für chamois und 3 für elfenbein. Die dritte Ziffer sagt etwas über die Oberfläche aus – 1 steht für glänzend, 2 für halbmatt, 3 für matt, 4 für edelmatt.1
Um der Pflanze einen besonderen Charakter zu verleihen überzieht Waldbauer die Ausbelichtung noch mit einer Eiweißlasur. Das händische Kolorieren mit Eiweißlasur erfordert großes Geschick, ist sehr zeitaufwendig und verzeiht keine Fehler. Die Gelatine des Fotopapiers ist in der Lage, die gelösten Farbstoffanteile der Eiweißlasur vollständig aufzunehmen. Dadurch "verschmilzt" die Farbe mit der Gelatine-Beschichtung des Fotopapiers so, dass der Farbauftrag nach der Trocknung kaum mehr auszumachen ist.2
Als Pflanze wählt Waldbauer die aus Ostasien und Amerika stammende Magnolie. Die als Strauch oder Baum wachsende Magnolie ist eine uralte, sehr artenreiche Pflanzengattung, die vor der Entwicklung der Bienen entstanden ist. Man nimmt an, dass sie sich entwickelt haben, um stattdessen die Bestäubung durch Käfer zu fördern.3 Man hat versteinerte Exemplare von Magnolienarten gefunden, die auf 20 Millionen Jahre zurückgehen, und Fossilien von Pflanzen, die eindeutig zu den Magnoliaceae gehören, stammen von vor 95 Millionen Jahren.4 Neben der Nutzung in der traditionellen fernöstlichen Medizin als Heilpflanze kommen der Magnolie auch zahlreiche symbolische Beduetungen zu, wie etwa als Nationalsymbol von Nordkorea, der chinesischen Stadt Shanghai, aber auch der sogenannten Magnolia states, die US-Bundesstaaten Mississippi und Louisiana. In zahlreichen Liedern, Filmen und Büchern spielt die Magnolie eine zentrale Rolle oder ist sogar titelgebend.
(Christoph Fuchs)
1
Foto Vogel, Grundlagen der Schwarz-Weiß Fotografie. Die Kennzeichnung von Fotopapieren, http://www.fotovogel-mg.de/Papiere_1.htm (4.5.2024)
2
https://de.wikipedia.org/wiki/Eiweißlasur (15.11.2023)
3
Richard Peigler, A review of pollination of Magnolias by beetles, with a collecting survey made in the Carolinas, 1988 (PDF).
4
P.R. Crane, "The phylogenetic position and fossil history of the Magnoliaceae", 1988, in: David R. Hunt (Hg.), Magnolias and their allies: Proceedings of an International Symposium, Royal Holloway, University of London, Egham, Surrey, 1996, S. 21.