"Dianthus plumarius. Federnelke, 8-fach vergrößert"
Platte 2
Heliogravüre
originales Blatt aus dem Buch, rückseitig gestempelt
Die Heliogravüre ist eine originale Seite aus dem mittlerweile legendären Buch "Urformen der Kunst" von Karl Blossfeldt. Bereits ab 1898 fanden die detailierten Aufnahmen der Pflanzen Verwendung als Lehrmaterial für die Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin. Blossfeldt arbeitete mit einer selbstgebauten Plattenkamera für drei Negativformate mit den Maßen 6x9 cm, 9x12 cm und 13x18 cm. Die zumeist selbst von Blossfeldt gesammelten Pflanzenteile wurden zwei- bis 45-fach vergrößert. Insgesamt entstanden etwa 6.000 Aufnahmen.
(Quelle: Karl-Blossfeld-Archiv)
Die Schönheit der Dolden
Im Jahre 1928 veröffentlichte Karl Blossfeldt (1865-1932) das inzwischen legendäre Fotobuch "Urformen der Kunst". Es versammelte eine Auswahl jener Pflanzenbilder, die der Kunstgewerbler nur als Anschauungsmaterial für seine Studenten an der Berliner Hochschule aufgenommen hatte. Die isoliert vor neutralem Grund abgelichteten Pflanzen, ihre oft in starker Vergrößerung wiedergegebenen Blüten, Knospen, Stängel, Dolden und Samenkapseln sollten als direktes Vorbild dienen für die dekorativen Kunstformen des damals schon verblühten Jugendstils.
Doch bei dieser kunstpädagogischen Verwendung der Bilder blieb es nicht. Der Berliner Avantgarde-Galerist Karl Nierendorf erspürte in den emotionslosen und präzisen Aufnahmen den kühlen Geist der Neuen Sachlichkeit und wurde entsprechend aktiv: 1926 stellte er die Werke – zusammen mit afrikanischen Skulpturen! – in seiner Galerie aus, zwei Jahre später verfasste er die Einleitung zu der im Ernst-Wasmuth-Verlag Berlin erschienenen Buchpublikation "Urformen der Kunst".
Dieses Fotobuch, zu dessen ersten Rezensenten Walter Benjamin gehörte, begründete nicht nur den bis heute ungebrochenen musealen Erfolg von Blossfeldts fotografischem Werk – es machte selbst eine steile Karriere als Bestseller. Der Erfolg stellte sich unmittelbar ein. Bereits 1929 erschien eine zweite Auflage in Deutschland sowie Ausgaben in London, New York und Paris. 1935 kam die "Volksausgabe" heraus, der viele weitere folgen.
Inzwischen zählt Blossfeldts fotografisches Œuvre zu den Inkunabeln der Fotogeschichte, und sein Nachlassarchiv steht als national wertvolles Kulturgut unter besonderem Schutz. Erstausgaben der "Urformen" werden heute auf dem amerikanischen Auktionsmarkt für mehrere Tausand Dollar gehandelt. Es ist ganz offensichtlich die spezielle Kombination von Sujet und fotografischem Stil, die dem Werk eine klassische Zeitlosigkeit verleiht und es immer wieder "neu" entdecken lässt. So passte die isolierende, monumentale und formalisierende Betrachtungsweise der Natur nicht nur ins Konzept der Neuen Sachlichkeit, sondern wurde in Folge ebenso interpretiert als Illustration der Beziehung von Kunst und Natur wie als Vorläufer des Konzeptkunst. Aber auch außerhalb des Kunst-Kontexts erfreuen sich die vegetabilen Motive größter Beliebtheit und gehören inzwischen zum (fast) alltäglichen Repertoire dekorativer Gestaltung: Man findet sie allerorten, selbst auf den Covern amerikanischer Software-Bücher.
(Susanne Boecker, Karl-Blossfeldt-Archiv)