"Palermo"
C-Print
signed, dated and titled on verso
Auf den ersten Blick scheinen alle Menschen im Bild zufällig nebeneinander. Das Bild präsentiert sich uns wie ein wahlloser Schnappschuss einer Straßenszene dessen einziger Grund für die Motivwahl die mystische Beleuchtung war, die die Menschen im Bild wie auf einer Bühne auftreten lässt. Bei genauerer Betrachtung konzentriert sich jedoch alles auf eine Person, nämlich jenen Mann mit der Zeitung leicht links der Mitte. Die zwei Männer im Hintergrund kommunizieren miteinander – man achte dabei auf die Hand des Mannes mit der Lederjacke. Der Fahrradfahrer scheint im Vorbeifahren irgendetwas mitzubekommen und es gibt noch eine weitere Person, die die ganze Szenerie beobachtet. Was haben die beiden vor? Wissen die beiden, dass der Wachmann im Schatten des Gebäudes sie beobachtet? Welche Rolle können wir als Betrachter:innen einnehmen?
Zur Zeit der Entstehung des Bildes arbeitete Stephan Reusse an Geschichten, die ihren Ausgangspunkt in Szenen wie dieser suchten. Es sind Schlüsselbilder für ein Narrativ, dass in der Vorstellungswelt der Betrachter:innen entstehen sollte. Meist sind es kleine Details, die das Initial für die Geschichte bilden – so wie im vorliegenden Bild die fast unmerkliche Kommunikation der beiden Männer im Hintergrund. Die Szene war jedoch keine zufällig vorgefundene, alles war genau durchorganisiert, alle Personen und Plätze vor Ort arrangiert und mit einer 4x5-Inch-Fachkamera aufgenommen. Wichtig war dabei der Versuch einer Interaktion mit den Menschen vor Ort, die sich zu einer Geschichte zusammenfinden sollten – ähnlich wie in Reusses Werkgruppe der Collaborationen.
(Christoph Fuchs, 2022)