"Safari Deutschland"
Holzrahmen mit Leinenbespannung, darauf 8 einzelne Holzrahmen mit Gelatinesilberabzüge montiert
Rahmen gesamt
vorderseitig signiert und datiert
Es scheint typisch für Reusse zu sein, daß er dem Unsichtbaren auf der Spur ist und dieses zur Gegenständlichkeit, d.h. zur physischen und psychischen Wahrnehmbarkeit bringt. Dies ist jenseits der darin enthaltenen philosophischen Qualität auch ein Zug einer speziellen ironischen und erkenntnistheoretisch distanzierten Haltung zur Welt: Nicht der Gegenstand als solcher interessiert Reusse, sondern das Dahinter.
Nicht der ständigen Verstellung der Welt und damit unserer Köpfe durch Gegenstände leistet er weiteren Vorschub, sondern im Versuch, sie transparent zu machen, zwingt er den Betrachter in eine Haltung der Suche und eigenen Standortfindung. Er verhindert das einfache Registrieren und Katalogisieren, das Schubladendenken, das allzuoft unsere einzige Orientierungsmöglichkeit in dieser Welt zu sein scheint, um noch einigermaßen Ordnung in ihr zu halten.
Nicht die Abbildung also ist wesentlich, sondern die Transparenz. Das es hierfür bestimmte Methoden zu finden gilt, ist die eine Seite. Eine andere Seite ist eher die Haltung der Surrealisten: die zufällige Begeg-nung einer Nähmaschine mit einem Regenschirm auf dem Operations-tisch. Nur was auf den ersten Blick surreal anmutet oder nur ironisch, wird bittere Erkenntnis, wenn der Moment des ersten Lachens vorbei ist Deutlich wird mir dies vor allem in der Werkreihe „Glückliche Jäger“, Safari Deutschland, in der Posen und out-fit einer Kolonialhaltung nachgestellt werden. Das Foto scheint in seiner Braunstichigkeit zeit-gemäß zu sein. Die meist lebensgroße Darstellung entspricht der Haltung der Zeit. Die Pose der Überheblichkeit des Siegers ist notwendige und ausschließlich gemeinte Selbstdarstellung. Das sichtbare Objekt und Anlaß zur Pose erst läßt das >aufgeklärte< Lachen darüber gefrieren: macht nachdenklich und wird – hoffentlich – zum Auslöser der beabsichtigten Assoziationsketten, die bei der Selbstbefragung des Betrachters und seines Standortes in unserer Zeit endet; der Frage, wie weit wir heute wirklich von einer solchen – nur scheinbar vergangenen – Haltung entfernt sind, wie sehr sie wirklich heute auch überwunden ist.
(aus: Jürgen Schweinebraden Frhr. v. Wichmann-Eichhorn, Zum Werk von Stephan Reusse, Kassel 28.3.1993, online)