Ansicht vorne
Inv. Nr.S-0926
KünstlerVALIE EXPORTgeb. 1940 in Linz, Österreich
Titel

"Tapp und Tastkino"

Jahr1968
Technik

Gelatinesilberabzug

Bildgröße88 x 104 cm
Auflage3/ II a.p.
Signatur

rückseitig betitelt, datiert und nummeriert (Tapp und Tastkino, 1968, A.P. II)

Kommentar

Aufnahme der ersten Aufführung des mittlerweile legendären Tapp und Tastkino von VALIE EXPORT und Peter Weibel am Karlsplatz (Stachus) in München am 14. November 1968. Diese Aktion im öffentlichen Raum übersetzte das Konzept des Expanded Cinema und die Verwurzelung des Kinos im Rummelplatz in den "ersten direkten Frauenfilm", wie die Künstlerin das Tapp und Tastkino nennt. Der öffentliche Zugriff – zeitlich begrenzt auf eine halbe Minute pro Person – wird dabei marktschreierisch von Peter Weibel angepriesen. Das Kino wird auf unmittelbare Weise als Projektionsraum männlicher Fantasien vorgeführt. Diese frühe noch ironische Grenzüberschreitung zwischen Kunst und Leben signalisiert bereits VALIE EXPORTS oftmals riskanten, in jedem Fall aber immer dezidiert persönlichen Einsatz des eigenen Körpers.
(Medien Kunst Netz, www.medienkunstnetz.de)

1. Tapp und Tastfilm  / 1. Straßenfilm  / 1. mobiler Film / 1. echter Frauenfilm.
Die Vorführung findet wie stets im Dunkeln statt, nur ist der Kinosaal etwas kleiner geworden. Es haben nur zwei Hände in ihm Platz. Um den Film zu sehen, d.h. in diesem Fall, den Film zu fühlen und zu spüren, muss der Zuschauer/Benutzer seine beiden Hände durch den Eingang in den Kinosaal führen. Damit hebt sich der Vorhang, der bisher nur für die Augen sich hob, endlich auch für die Hände. Der Besuch der Vorstellung ist gratis und jugendfrei.
Im Staatskino sitzen sie im Dunkeln und sehen zu wie’s einer mit einer tut, niemand sieht auf sie. Hier treiben sie es selbst mit einer bei Licht und viele sehen auf sie. Sie kommen zu ihrem Star und sind selbst ein Star.
Jeder Besucher durfte nur 12 Sekunden im Tapp und Tastkino verweilen, also eine 1/5 Minute, damit jeder an die Reihe kommen konnte.
Anläßlich des 1. europäischen Treffen unabhängiger Filmemacher in München, vom 12.–17. November 1968, veranstaltet von Undependent Fiilm Center (K.H. Hein, Werner Schulz), W. & B. Hein, Klaus Schönherr. Die Welturaufführung hatte am 11. 11. 1968 anläßlich der 2. Maraisiade, veranstaltet von Erich Mautner, stattgefunden. bei der Preisverleihung, feierlich gestimmt, im Saale des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Bundeskammer, Wien 7, Hoher Markt, führte VALIE anstelle ihres preisgekrönten Filmes Ping Pong ihr Tapp und Tastkino vor, zum Schrecken der Zuschauer. Es kam dabei und davor zu einer Rauferei.
(Peter Weibel, in: Peter Weibel (Hg.), Wien: Bildkompendium, Wiener Aktionismus und Film, Frankfurt am Main 1970, S. 261)

Tumulte nach der Preisverleihung. Nicht nur zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Jungfilmergruppen, sondern auch zu einer regelrechten Schlägerei kam es dann im Anschluß an die Verkündigung der Preise. Im Mittelpunkt der Juror Peter Weibel und der Schweizer Regisseur Georg Radanovicz. Das Handgemenge hatte Valie Export hervorgerufen, als sie ihre exhibitionistische Farce des Tapp- und Tastfilms demonstrierte.
(in: Österreichische Film- und Kinozeitung, 22. Jg., 16.11.1968)

Extremes Glanzstück der Exhibition: 1/5 Minute, ein Werk VALIE EXPORTS, der erste Tapp- und Tastfilm und zugleich auch der erste wirkliche Film von und mit einer und über eine Frau. Schon im Foyer und auf der Straße gedenkt VALIE, künstlerisch zu wirken – mit einem Plastikrahmen vor dem Oberkörper. Der Rahmen ist mit Stoffstreifen bespannt. VALIE über den Zweck und Sinn des Unternehmens, das möglicherweise in die Entstehung einer Tapp-Familie ausarten könnte: "Die Frau ist ein zentrales Thema des Films. Der Film aber muß aus dem Kino heraus, ins Volk gebracht werden. Außerdem ist das besser als die derzeit gängigen Produkte des Kommerzfilms. Der Kommerzfilm bietet Surrogate, wir bieten wirklich etwas. Noch dazu ist die Brutalität dieser Exhibition ein wirksames Mittel gegen den grassierenden Voyeurismus."
(Ausschnitt aus "Tapp, tapp, ein Film, Austria Filmmakers Cooperative in München beliebt und zu Gast", in: Peter Hajek, Von Film zu Film, Kurier, 12.11.1968, 1. Ausgabe)

S-0926, "Tapp und Tastkino"
VALIE EXPORT, "Tapp und Tastkino", 1968
S-0926, Ansicht vorne
© VALIE EXPORT / Bildrecht Wien
S-0926, Rückansicht
VALIE EXPORT, "Tapp und Tastkino", 1968
S-0926, Rückansicht